31.05.2019.
Von Florian Sander.
Es ist mal wieder Zeit für eine kurze Analyse sowohl aus der Sicht eines Politikwissenschaftlers als auch eines AfD-Programmatikers (wie ich sie inzwischen nach jeder größeren Wahl versuche vorzunehmen). Auch am heutigen, spannenden Wahltag gibt es mal wieder einige Worte und Thesen dazu zu verlieren.
Halten wir zunächst einmal fest: Das AfD-Ergebnis von ca. 10,5 % ist erfreulich, weil recht sicher zweistellig, aber auch ausbaufähig. Positiv ist die sich abzeichnende politische Zusammenarbeit der europäischen Rechtsparteien, an der die AfD ihren klaren Anteil haben wird. Dass es trotz bei der Sonntagsfrage eigentlich besserer Werte nicht mehr wurde, ist sicherlich auch der Strache-Video-Affäre in Österreich zu verdanken, im Zuge derer man die AfD gleich erstmal pauschal mit ins Visier genommen und die den „Fallout“ der Affäre wie ein kräftiger radioaktiver Wind nach Deutschland rübergetragen hat. Derartig undifferenzierte und pauschalisierende Attacken waren leider erwartbar.
Die Union hat ein erwartetes Ergebnis kassiert und reagiert darauf auf die erwartete Weise: Inhaltsleere Phrasen im Wahlkampf werden ergänzt um inhaltsleere Phrasen nach der Wahl. Die Demografie, die die ARD in der Wahlsendung präsentiert, spricht m. E. eine noch deutlichere Sprache als das wenig überraschende Ergebnis vor allem der CDU: Die Union vermag es kaum noch, junge oder auch nur jüngere Wähler zu erreichen. Das ist es, was ihr, wie Jörg Schönenborn richtig sagte, den Volkspartei-Status eigentlich nimmt. Sie ist kaum zukunftsfähig. Stattdessen versucht sie, mit behäbig-bürgerlichem Rentner-Habitus, aber wirklich nullkommanull Inhalt in ihren Aussagen irgendwie ihre bisherige Wählerschaft zu halten. Inhalte gibt es so gut wie gar nicht, und die, die es gibt, könnten morgen schon passé sein, so wie man es bei der merkelisierten Union, die jetzt von einem blassen Merkel-Double geführt wird, gewohnt ist. Allerdings: Ich behaupte an dieser Stelle, dass die Union sich erholen könnte, wenn sie ihren Bremer Spitzenkandidaten und Wahlsieger Carsten Meyer-Heder zum Bundespolitiker aufbauen würde. Ein durchweg sympathischer Typ, bei dem man den Eindruck hat, dass da ENDLICH mal ein Unionspolitiker einfach frei von der Leber weg redet.
Über das katastrophale SPD-Ergebnis konnte ich mich kaum freuen. Die bei ihrer heutigen Ansprache an die geschockten Genossen den Tränen nahe, eigentlich sehr intelligent rüberkommende Katarina Barley erregte eher mein (ehrliches) Mitleid als Häme, da sie den Preis zahlt für die Arroganz ihrer feisten und bräsigen (und auch genauso rüberkommenden) Parteiführung. Auch konnte ich mich deswegen nicht freuen, weil ich wusste: Die bisherigen Stimmen für die SPD sind nicht verschwunden, sondern gewandert, und zwar an ein noch größeres Übel, nämlich die Grünen. Eine Partei, deren kollektives Ego nicht nur wegen ihres Wahlergebnisses, sondern allein schon wegen ihrer heimlichen politischen Dominanz im linksliberalisierten politischen Spektrum mittlerweile durch keine Tür mehr passt. Die heutige Wahl allein sollte man nicht überbewerten: So wie die Grünen auch nach der Fukushima-Katastrophe ihre Hochphase hatten, haben sie sie auch jetzt, wo der Klimaschutz in aller Munde ist. Das wird nicht ewig währen. Viel schlimmer ist ihre metapolitische Dominanz, die heimliche Herrschaft in den Köpfen auch der ANDEREN Altparteien, in die sich das grüne Gift (wie der sozialdemokratische Haudegen Friedhelm Farthmann die Partei mal nannte) inzwischen eingenistet hat wie ein Tumor.
Tja, und dann sind da noch die anderen: FDP, Linke, PARTEI & Co. Bei der Linken und insbesondere dem Auftritt Katja Kippings in der ARD konnte ich mir diesmal hämische Gefühle nicht verkneifen. Lächerliche 5,5 % bei der Europawahl, die zeigen, was aus der Linken wird, jetzt, wo ihr der nationalstaatliche Wagenknecht/Lafontaine-Flügel abhanden kommt. Ein unfertiges, irrelevantes, rotlackiertes Abziehbild der Grünen, das keiner mehr braucht.
Die FDP macht mal wieder eine eher traurige Figur: Für ihr Dauerthema Digitalisierung interessieren sich halt nur großstädtische Wohlstandshipster, für die ihr Smartphone im Mittelpunkt des Lebens steht, „Mehr Europa“-Rufe können die anderen besser und als Klimaschutzpartei gilt sie jetzt auch nicht gerade. Höchstens so sehr wie der junge Graf Lambsdorff ein charismatischer Sympathieträger ist.
Die zwei Sitze für die PARTEI indes stehen in Gänze für den postmodernen Zeitgeist: Diese Partei wird von jenen gewählt, für die es gar keine Wahrheiten mehr gibt, gar keine Narrative oder Werte. Der PARTEI-Wähler sieht alles nur noch „ironisch“, selbst sein Smartphone (sonst hätte er ja wenigstens FDP wählen können). Nichts mehr ernst nehmend und völlig sinnentleert, von nichts mehr überzeugt und über alles nur noch hochmütig lachend steht eher scheinbar „über allem“, solange er sich noch wenigstens amüsieren kann. Die PARTEI ist die innerlich verbitterte, sich nach außen hin überlegen gebende Version der Spaßgesellschaft der 2000er Jahre. Ein früher mal quietschbunter, inzwischen aber ausgeblichener Regenbogen.