26.08.2019.
„So isser, der Ossi“, titelt der aktuelle SPIEGEL. Es ist ein Ansatz der Berichterstattung aus dem fernen Hamburg, gewissermaßen mit dem Fernrohr den Osten betrachtend. Alle Ossis sind gleich, frustriert, enttäuscht – und vor allem: undankbar.
Dabei, so zählt DER SPIEGEL auf, hat ihnen der Westen doch die schönsten Autobahnen geschenkt, moderne Stadtplätze, sogar Schulen und Universitäten. Und trotzdem ist „der Ossi“ undankbar und wählt nicht brav SPD oder Grüne oder zumindest CDU, wie DER SPIEGEL es sich wünscht, sondern AfD. Also, das geht ja gleich gar nicht – erst kassieren und dann wählen, wie man will. DER SPIEGEL beugt sich runter, versucht sich der ostdeutschen Seele zu nähern, aber „das heißt nicht, für Ausländerfeindlichkeit und Rassismus Verständnis zu zeigen, soll aber ergründen, warum die Furcht vor Einwanderern in einem großen Teil Deutschlands die Politik bestimmt.“
Damit ist der Ton vorgegeben: Alle Ossis sind gleich betreuungsbedürftig; sie raffen es nicht. DER SPIEGEL muss es ihnen erklären wie einem betreuungsbedürftigen Kind. Es ist ein bekannter Ton: Von oben herab. So hätte man im wilhelminischen Deutschland über Deutsch-Südwest geschrieben, dort im fernen Afrika, wo die Menschen schwarz sind, Hottentoten heißen, nackt herumlaufen und auf die Beglückung durch die Kolonisatoren warten. Man könnte es betreuenden Journalismus nennen. Dabei ist es der westdeutsche Journalismus, der wesentlich dazu beigetragen hat, dass es nach der Wiedervereinigung zu einer Spaltung in Ost und West gekommen ist. Denn die Haltung „kluger Wessi – dummer Ossi“ zieht sich durch die mediale Geschichte der Wiedervereinigung. Dabei kommt der Ossi nicht gut weg. Dass jetzt Misstrauen gegen westdeutsche Medien und Politik tatsächlich eine breite Basis finden,
überraschend ?
Es ist davon auszugehen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch wenigere Leser in den neuen Bundesländern den SPIEGEL in die Hand nehmen.