21.01.2019.
Politikwissenschaftler Florian Sander über die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der AfD und das zweifelhafte Vorgehen des Verfassungsschutzes.
Am 15. Januar hat das Bundesamt für Verfassungsschutz, Deutschlands Inlandsgeheimdienst, die AfD offiziell zum „Prüffall“ erklärt. Die JA sowie der vor allem von Björn Höcke repräsentierte „Flügel“ gelten fortan als „Verdachtsfälle“, womit in nochmal gesteigerter Form die Annahme extremistischer Bestrebungen einhergeht, oder anders gesagt: Von Bestrebung, das Grundgesetz bzw. die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung (FDGO) zu bekämpfen. Die Entscheidung folgte auf eine bereits vor Monaten losgetretene Diskussion über den Umgang des Staates mit der AfD, im Zuge derer die offizielle Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz gefordert worden war (die mit der Einstufung als Prüffall jedoch noch nicht eintritt). Politiker nahezu aller anderen Parteien im Bundestag begrüßten die Entscheidung oder nahmen sie, wie etwa Vertreter der FDP, zumindest wohlwollend-scheinneutral entgegen. Lediglich Sahra Wagenknecht (Die Linke), wie so häufig die einzige ruhige Stimme der Vernunft in einem Chor aus hysterischen Marktschreiern, lehnte das Instrument des Verfassungsschutzes ab und kritisierte die „Kriminalisierung der AfD“.
In den letzten Monaten (und eigentlich auch: Jahren) ist viel über die vermeintliche Verfassungsfeindlichkeit der AfD geschrieben worden. Zahlreiche „Experten“, von Politikern etablierter Parteien über scheinobjektive Journalisten bis hin zu scheinbar professionellen, nüchternen und analytischen Politikwissenschaftlern (von denen aber viele, schaut man einmal genau hin, dann doch wieder gewissen etablierten Parteien nahe stehen, von ihren Stiftungen gefördert worden sind o. ä.) haben versucht, über teils abenteuerlich konstruierte Argumente der AfD eine feindliche Haltung gegenüber dem Grundgesetz zu unterstellen. Nun macht die Entscheidung des Verfassungsschutzes, die AfD als Ganzes zunächst nur als „Prüffall“ – und nicht als „Verdachtsfall“ oder gar mehr zu behandeln – nicht nur deutlich, dass die Findung von belastenden Indizien sehr viel schwerer war als zuvor vollmundig von vielen behauptet. Zugleich zeigen die angeführten Beispiele auch auf, wie zutiefst interpretationsabhängig so manche Kriterien für die angebliche Verfassungsfeindlichkeit sind.
Einzelpersonen statt Programmatik
Wer wie der Autor dieser Zeilen sowohl Politikwissenschaftler als auch Programmatiker in Gremien der so umstrittenen Partei ist, kommt nicht umhin festzustellen, dass im Rahmen der Pressekonferenz des Verfassungsschutzes, bei der die Gründe für die Einstufungen angeführt wurden, so gut wie ausschließlich auf Wortmeldungen einzelner Vertreter der Partei und ihrer Teilorganisationen abgestellt wurde, so gut wie nie jedoch auf die Programmatik der Partei selbst. Angesichts so viel selektiver Wahrnehmung bei bundesdeutschen Sicherheitsbehörden gerät man zuweilen ins Staunen. Wenn also einzelne Personen durch mal mehr, mal weniger kritische oder problematische Wortmeldungen auffallen, von denen viele nicht zuletzt in alleiniger Verantwortung und / oder im Kontext rhetorischer Überspitzung – wie sie bei Politikern aller (!) Parteien gang und gäbe ist – gefallen sind, dann sind dies „Indizien für Extremismus“ bei deren gesamter Organisation. Wenn dahingegen immerhin ein Grundsatzprogramm (!) einer Partei – welches immerhin den verbindlichen, verschriftlichten, demokratisch verabschiedeten und repräsentativen Konsens einer politischen Partei darstellt, insofern also gar nicht als relevant genug angesehen werden kann – vor Bekenntnissen zu den Werten des Grundgesetzes nur so strotzt, dann ist das den Entscheidungsträgern kaum eine Erwähnung wert.
Holen wir also das, was alle anderen im Umgang mit der AfD vernachlässigen, daher einmal an dieser Stelle nach. Was sagt das Grundsatzprogramm der AfD aus?
Da wäre zunächst gleich das erste Kapitel – überschrieben mit dem Titel „Demokratie und Grundwerte“. Hierin werden u. a. Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild, also mehr direkte Demokratie gefordert (S. 16). Das Grundgesetz solle ohne Zustimmung des Volkes nicht geändert werden dürfen (S. 16). Ferner bekennt sich die AfD zur Gewaltenteilung und will sie dezidiert „gewährleisten“, bezeichnet sie gar als „staatstheoretische Grundlage einer jeden modernen Demokratie“ (S. 19). Die Parteienfinanzierung soll „dem Verfassungsrecht angepasst“ werden (S. 21). Das freie Mandat der Abgeordneten – also der demokratisch gewählten Volksvertreter – soll „gestärkt“ werden (S. 22).
Darüber hinaus will die AfD u. a. eine „Volksabstimmung über den EURO“ (S. 35), eine Stärkung der Polizei und eine Verbesserung der Strafjustiz (also zweier, für die Aufrechterhaltung der FDGO wesentlicher Instanzen) (S. 48), weisungsfreie Staatsanwälte und unabhängige Richter (mit anderen Worten: Schutz der Gewaltenteilung durch Stärkung der Judikative) (S. 49), Angriffe auf Amtspersonen (also Menschen, die die FDGO vertreten) härter bestrafen (S. 50), die Bundeswehr (und damit die Organisation, die die Bundesrepublik und damit auch deren FDGO nach außen schützt) stärken (S. 59), unsere Werteordnung (!) schützen (S. 95) und die Umwelt schützen (S. 170). Außerdem fordert sie das „Recht auf freie Rede“ ein (S. 114) und bekennt sich zum Recht auf Asyl, möchte allerdings dessen Missbrauch bekämpfen (S. 119).
Auch den Sozialstaat – ein weiteres grundlegendes Prinzip unseres Grundgesetzes – will die AfD schützen. Wer einigermaßen rechnen kann, wird schnell anerkennen, dass die sozialen Sicherungssysteme eines Staates nur mit gesicherten Grenzen eines souveränen, funktionierenden Nationalstaates aufrechterhalten werden können, da der Kreis der Empfänger sozialer Transferleistungen ansonsten am Ende um ein beträchtliches größer wäre als der der Einzahler. Indem die AfD hierfür eintritt, tut sie mehr für die Aufrechterhaltung des bundesdeutschen Sozialstaates als sämtliche anderen Parteien – die Linkspartei eingeschlossen – zusammen. Kalkuliert man zudem ein, dass der Sozialstaat ein maßgebliches Instrument zum Schutz der Menschenwürde seiner Bürger ist, welchen dadurch auch in Zeiten der persönlichen Not ein menschenwürdiges Leben gewährt werden soll, so macht sich die AfD mit ihrer glasklaren Positionierung tagtäglich um den Schutz von Artikel 1 des Grundgesetzes verdient.
Man könnte die Liste noch lange fortführen und ergänzen (so z. B. um die interne Praxis der AfD, aktuelle oder ehemalige Mitglieder verfassungsfeindlicher Organisationen und Parteien, benannt in ihrer sogenannten Unvereinbarkeitsliste, nicht aufzunehmen – ein Vorgehen, das man bei sonst keiner Partei vorfindet). Wenn man sich einmal die Mühe macht, in die tatsächlichen Programme, die die verschriftlichten, also verbindlichen und demokratisch abgestimmten faktischen Inhalte der AfD enthalten, zu schauen, so wird man schnell erkennen, zu wie beträchtlich vielen Werten und Prinzipien des Grundgesetzes sich diese angeblich verfassungsfeindliche Partei und damit auch ihre Mitglieder, wie die Juristen sagen, konkludent bekennen. Was ist eigentlich von einer Behörde zu halten, die – man verzeihe an dieser Stelle die polemische Überspitzung – über jeden Rülpser eines lokalen AfD-Kreisvorstandsbeisitzers auf Facebook oder Twitter eine eigene Akte anlegt (oder anlegen will), aber die wesentlichen, verbindlichen, durch und durch freiheitlichen, demokratischen und sozialen programmatischen Inhalte der Gesamtpartei nicht mit einem Wort erwähnt?
Schwammige Definitionen, Interpretationsoffenheit, unklare Kriterien
Noch hat der Verfassungsschutz nichts wirklich entschieden, und noch sollte man ihm daher Gelegenheit geben, eine differenziertere Sicht auf die AfD zu entwickeln. Klar ist aber seit der Entlassung des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, auch, dass die Behauptung seines Nachfolgers, des CDU-Mitglieds Thomas Haldenwang, bei der jüngsten Pressekonferenz, man erfülle im Zuge der jüngsten Entscheidung gewissermaßen einfach ganz „technisch“ und unvermeidbar seine Pflicht als Exekutivbehörde, ja habe gewissermaßen gar keine andere Wahl, als es genau so zu machen und nicht anders (quasi wie ein auf Knopfdruck reagierender Roboter), mehr als scheinheilig ist. Die Entlassung Maaßens zeigt plastisch, wie interpretations- und gewichtungsabhängig all diese ach so objektiven Kriterien für Verfassungsfeindlichkeit wirklich sind, wie politisch – und wie wenig juristisch – die Tätigkeit von Leuten wie Maaßen und Haldewang wirklich ist.
So machen die oben genannten Beispiele eben sehr deutlich, dass jede Klassifizierung einer Partei oder Organisation – als Prüffall, als Verdachtsfall, als extremistisch oder „nur“ als radikal (Radikalismus ist gemäß Verfassungsschutz-Definition etwas anderes als Extremismus) – bestimmt ist durch Prioritätensetzungen, selektive Wahrnehmung, Ausblendung und Gewichtung von Beobachtungen. So dürfte etwa der eine Verfassungsschützer Personenaussagen mehr gewichten, der andere hingegen die Programmatik.
Hinzu kommen – keineswegs allgemeinverbindlich geklärte – Streitfragen hinsichtlich bestimmter politischer Positionierungen und deren Verfassungsfeindlichkeit. Man nehme hier etwa die Frage des sogenannten Ethnopluralismus in den Blick, also der Position, ethnische Gruppen bzw. Völker sollten in ihrer Pluralität erhalten bleiben, ohne aus ihnen ein einziges großes „Weltvolk“ machen zu wollen. Definiert man ihn lediglich so, so wird man Ethnopluralismus schwer als verfassungsfeindlich bezeichnen können; schließlich spricht auch das Grundgesetz vom „Deutschen Volk“, erkennt es als schützenswerte kollektive Entität an und gesteht ihm sogar die Rolle des demokratischen Souveräns zu. Definiert man Ethnopluralismus hingegen auch in einer Weise, im Zuge derer z. B. einzelne Angehörige von verschiedenen Völkern miteinander keine Kinder zeugen sollten, weil man deren Vermischung als illegitim betrachtet, so ließe sich hier eher eine gegen das Grundgesetz gerichtete Haltung ausmachen. Doch wie klassifiziert man nun z. B. die Wortmeldung einer Person, nach der Ethnopluralismus etwas Begrüßenswertes sei, in der sie jedoch nicht näher erklärt, was sie genau darunter versteht? Wird sie damit schon zum Verfassungsfeind, oder unterstellt man ihr zunächst die moderate Auslegung des Begriffes?
Anderes Beispiel: Was versteht man unter dem Begriff „Revolution“? Im Alltagsverständnis würden viele Menschen darunter vermutlich einen gewaltsamen politischen Umsturz assoziieren, was also ohne Zweifel eine gegen die FDGO gerichtete Position wäre. Nun machen Begriffe wie „digitale Revolution“ etc. aber deutlich, dass der Begriff deutlich komplexer ist, als die unmittelbare Assoziation nahelegt, dass auch der Terminus der Revolution – konsultiert man etwa das soziologische Verständnis des Begriffes – auch gesellschaftliche Entwicklungen beinhalten kann, mit denen keineswegs eine verfassungsfeindliche Absicht einhergeht, sondern ganz andere, zwar fundamentale oder radikale, aber eben nicht extremistische Ziele. Anders gesagt: Wer eine „Revolution“ fordert, ist damit nicht zwingend Verfassungsfeind. Anhand solcher Beispiele, von denen man noch viele weitere nennen könnte, werden die Schwammigkeit und die Interpretationsabhängigkeit von derlei scheinobjektiven Kriterien deutlich. Man darf jedoch bezweifeln, ob so mancher Checklisten abhakende Schemadenker in Sicherheitsbehörden derlei terminologische Komplexitäten in ausreichender Form verinnerlicht hat.
Immer wieder wird auch die umstrittene erinnerungspolitische Positionierung Björn Höckes im Rahmen seiner Dresdener Rede („Denkmal der Schande“) als Indiz für Verfassungsfeindlichkeit angeführt. Auch das wirft Fragen auf, denn: Wo im Grundgesetz wird eine bestimmte Erinnerungspolitik skizziert, an die sich die Politiker der Bundesrepublik zu halten haben? Egal wie man nun zu Höckes Positionen und Formulierungen steht: Der Versuch, daraus den Vorwurf einer Bekämpfung der FDGO zu basteln, steht auf mehr als tönernen Füßen, da diese eben nichts aussagt darüber, wo man was für Denkmäler zu bauen hat und wie man zu diesen (als solchen) zu stehen hat.
Beispiele wie dieses sind typisch, ja geradezu repräsentativ für vieles, was in der gegenwärtigen Debatte zu der Thematik falsch läuft: Die FDGO mutiert in der Auslegung mancher Politiker, Journalisten und Staatsvertreter zu einem Dogma des linksliberalen „Wünsch dir was“, in das jeder AfD-Gegner einfach alles, was er für richtig hält, hineininterpretiert und in dessen Folge dann jeden, der ihm widerspricht, als Verfassungsfeind etikettieren kann. Eine beliebte Formulierung, um diese rein willkürlichen Etikettierungen zu untermauern, ist dann etwa, jemand oder jemandes Aussage richte sich „gegen den Geist“ (!) des Grundgesetzes. Findet man im Grundgesetz keine passende Formulierung, ist es eben also ein diffuser „Geist“ des Gesetzes, gegen den der politische Gegner sich richte. So kann man jede politisch unerwünschte Position als verfassungsfeindlich deklarieren.
Zu dumm nur, dass gerade das deutsche Staatsrecht solcher Willkür einen Riegel vorschiebt: So macht der sogenannte Bestimmtheitsgrundsatz deutlich, dass jede Rechtsnorm hinreichend präzise (also: bestimmt) formuliert sein muss, so dass jeder Bürger wissen kann, mit welcher Handlung (oder eben Äußerung) er gegen sie verstoßen würde und wodurch nicht. Man wird an keiner Stelle des Grundgesetzes eine Norm finden, die in bestimmter (!) Form darlegt, dass eine erinnerungspolitische Wende, wie Björn Höcke sie will, nicht zulässig wäre. Also kann eine derartige Forderung – was auch immer man von ihr halten mag – nicht als Indiz für Verfassungsfeindlichkeit gewertet werden – so einfach ist das. Die FDGO ist eben kein Dogma, das politisch-ideologische Vorschriften macht und das dann einzelne „politische Hohepriester“ von ihrer Kanzel aus wie die Bibel predigen und für sich vereinnahmen können, sondern ein Grundgerüst, das unser politisch-rechtliches Zusammenleben regelt, dabei aber auch radikalen Positionen ihren demokratischen Raum gibt.
Ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat
Die Folgen nicht nur einer womöglich mal eintretenden „echten“ Beobachtung, sondern auch bereits dieser schon getätigten Einstufungen werden spürbar sein: Es handelt sich, wie auch von der AfD-Spitze beklagt, um Wettbewerbsverzerrung. So manchen eher bürgerlich eingestellten Wähler dürfte der neue Status abschrecken; für Parteimitglieder, die noch im öffentlichen Dienst Karriere machen wollen, könnte dies gar ein Austrittsgrund sein (abseits davon, dass eine AfD-Mitgliedschaft für im öffentlichen Dienst tätige Menschen auch schon vorher ein klares „Karrierehindernis“ war, welches man allenfalls als Idealist in Kauf zu nehmen bereit ist). Gleichwohl muss man an dieser Stelle aber auch so manche, jüngst von verschiedenen Seiten geschürten Ängste etwas relativieren: Selbst eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist zunächst einmal eben nur das, womit auch einhergeht, dass eine AfD-Mitgliedschaft oder –Aktivität allein auch in diesem Fall kein rechtmäßiger Grund ist, jemanden aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen oder jemandem den Beamtenstatus zu entziehen. Aber dennoch: Die Benachteiligung der Partei und ihrer Mitglieder ist belegbar. Und dies muss Konsequenzen haben.
Dies gilt umso mehr, als dass sich das politisch einseitige Handeln des Verfassungsschutzes leider bereits jetzt beobachten lässt, wenn auch gar nicht mal so sehr mit Blick auf das, was er tut, sondern eher mit Blick auf das, was er nicht tut: Dass beispielsweise Teile der Linkspartei, der Grünen und der SPD, wie vor allem deren Jugendorganisationen, ganz offen enge Kontakte zur linksextremen, also verfassungsfeindlichen und in vielerlei Fällen sogar offen gewaltbereiten Antifa unterhalten, scheint zumindest für die beiden letztgenannten Parteien nicht ansatzweise Konsequenzen zu haben. Wenn aber gleichzeitig Teile der JA angeblich Kontakte zur als verfassungsfeindlich eingestuften Identitären Bewegung haben, wird ihr und auch der AfD dies als Indiz für Verfassungsfeindlichkeit ausgelegt und rechtfertigt womöglich sogar eine offizielle Beobachtung. Eine ganz offensichtliche, klar beobachtbare Ungleichbehandlung politischer Parteien, die in Deutschland weder von den Mainstream-Medien oder von Politikwissenschaftlern noch von den etablierten Parteien noch von staatlichen Organen (gewisse entlassene Verfassungsschützer ausgenommen) moniert oder auch nur thematisiert wird. Es wird ganz offen mit zweierlei Maß gemessen, und dies alles im Namen der FDGO. Aus rechtsstaatlicher Sicht ein Armutszeugnis.
Den Verfassungsschutz zum Prüffall erklären
Die AfD hat bereits angekündigt, sich gegen die jüngste Entscheidung juristisch zur Wehr zu setzen. Dies ist anzuraten; so macht doch die Maaßen-Absetzung und der Kurswechsel der Behörde eben auch deutlich, dass die oben beschriebene Schwammigkeit formaler Kriterien die Praxis des Verfassungsschutzes anfällig macht für politische Willkür. Am Ende werden die Kriterien eben politisch so uminterpretiert, dass das genehme Ergebnis dabei herauskommen kann. Ob es wirklich so endet, ob es am Ende wirklich auf eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz hinausläuft, ist noch nicht klar zu beantworten. Sollte es jedoch so kommen, sollte also der deutsche Inlandsgeheimdienst sich tatsächlich für parteipolitische Zwecke und Missbrauch einspannen lassen, so würde er damit auch die Legitimität seiner Rolle als Nachrichtendienst eines Rechtsstaates einbüßen.
In diesem Falle wären dann seitens der AfD nicht nur die Nutzung aller zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel zwingend erforderlich, sondern auch klare Konsequenzen für deren sicherheitspolitische Programmatik, im Rahmen derer man sich der Forderung der Linkspartei nach einer Abschaffung des Verfassungsschutzes klar anschließen sollte. Geheimdienste in einer Demokratie sind kein Instrument von Establishment-Parteien, die ihre Macht erhalten wollen. Insofern sollten die jüngsten Entwicklungen wenn, dann in beide Richtungen gelten – indem die AfD ihrerseits den Verfassungsschutz zum politischen Prüffall erklärt.