25.05.2019.
Ein Gastbeitrag von Florian Sander.
Eine konservative europäische Vision
In nur wenigen politischen Feldern lässt sich die Einheitsfront der Altparteien so plastisch beobachten wie im Feld der Europapolitik. Von der Linkspartei über die Grünen und die SPD, über die Union bis hin zur FDP ist man sich einig im Ziel eines Europas als „politischer Union“, worunter letztlich das Endziel eines europäischen Superstaates verstanden wird, als eine Art „Vereinigte Staaten von Europa“. Differenzen gibt es allenfalls in der näheren Ausgestaltung: SPD und Linke wollen dann auch einen europaweiten Sozialstaat, die FDP dagegen eher einen föderal strukturierten, aber natürlich durch und durch neoliberal agierenden europäischen Bundesstaat.
Verklausuliert werden diese Ziele, die weniger von den europäischen Völkern, sondern vor allem von deren Eliten vorangetrieben werden, durch oberflächliche Phrasen wie die, man wolle „mehr Europa“. Floskeln wie diese ermöglichen es dem politischen Establishment, unbequeme Konkretisierungen zu vermeiden: Jeder kann zunächst einmal alles in sie hineininterpretieren – und man selber, als politischer Akteur, muss sich nicht der intellektuell anspruchsvollen und eben auch potenziell konfliktreichen Anstrengung aussetzen, näher zu bestimmen, was das eigentlich genau heißen soll. Die linksliberale Medienwelt von taz bis Springer, die das Spiel versteht und mitspielt, fragt natürlich nicht kritisch nach. So wird das Projekt der Europäischen Union (EU) als „europäische Integration“ schrittweise, aber am demokratischen Souverän vorbei, nach und nach vorangetrieben.
Die Eurokratie und ihre Propaganda
Zu einem in seiner diabolischen Genialität fast schon bewundernswerten politischen Kniff griff man in der Hochphase der – ursprünglich durch Wall-Street-Zockerbanken ausgelösten und durch private Rating-Agenturen befeuerten – Finanzkrise, die in der Folge zur Eurokrise mutierte und von Neoliberalen in diesem Kontext zur „Staatsschuldenkrise“ verklärt wurde, um die Verantwortung für sie nicht dem eigentlichen Schuldigen – der Finanzmafia – zuordnen zu müssen, sondern sie Staaten und ihren (nicht zuletzt auch Sozial-)Haushalten in die Schuhe schieben zu können. Man schlug drei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits konnte man nun mit vermeintlicher Berechtigung ein neoliberales Kaputtsparprogramm für Staaten wie Griechenland und andere verordnen – als Kondition für die milliardenschwere Rettung von Großbanken andererseits (die im eurokratischen Neusprech zur „Eurorettung“ mutierte).
Zugleich nutze man die Krise, um die besagte europäische Integration voranzutreiben und den EU-Staaten über Installationen wie etwa den ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) via Salami-Taktik die haushaltspolitische Souveränität – und damit einen Kernpunkt ihrer nationalstaatlichen Souveränität insgesamt – zu entziehen. Ein weiterer Schritt hin zum Ziel Superstaat, in das sich Debatten wie jene über eine „Europa-Armee“ und vieles mehr nahtlos einreihen. Kritiker dieser Entwicklungen werden in plattestem Populismus als „Anti-Europäer“ oder „Europa-Feinde“ stigmatisiert, wodurch zugleich eine semantische Gleichsetzung der EU mit „Europa“ bewirkt wird. Eine wirkungsvolle Strategie der Diskreditierung, die in den etablierten Parteien viele Kritiker zum Schweigen brachte. Dies trug in Deutschland maßgeblich zur Gründung der AfD bei bzw. in anderen europäischen Staaten zur Stärkung der dortigen Rechtsparteien.
Die (Nicht-)Argumente, die einem seitens der EU-Befürworter zuweilen entgegengehalten werden, sind oft an Oberflächlichkeit kaum zu überbieten. In vielerlei Fällen merkt man nur allzu sehr, wie grassierende politische Mythen, die man irgendwo – nicht selten vermutlich in den globalistisch-linksliberalen Einheitsmedien – aufgeschnappt hat, nachgeplappert werden.
Soziologische Erklärungsansätze
In der Soziologie gibt es mit dem sogenannten Neo-Institutionalismus eine Theorie, die dieses Phänomen erklärt. Diese Sichtweise geht von eben solchen grassierenden Mythen aus, die von Personen wie von Organisationen aufgegriffen, wiederholt und bekräftigt werden – so lange, bis sie zur sozialen Realität geworden sind. Ein Prozess, der in den Sozialwissenschaften als soziale Konstruktion bezeichnet wird (und der mit dem oben beschriebenen Framing, das Worte mit neuen Bedeutungen oder Assoziationen versieht, einhergeht): Wenn genug Leute und Organisationen etwas lange genug postulieren, glaubt irgendwann eine Mehrheit der Gesellschaft wirklich daran.
Irgendwann wird der Glaube daran zum nicht mehr hinterfragbaren Heiligtum. Mit anderen Worten: Er wird zur Institution. Nun haben es Institutionen aber eben an sich, dass sie nicht zwingend rational sein müssen, um zu diesen zu werden – vielmehr herrscht eben der allgemeine Glaube vor, dass sie es seien. Irgendwann ist der Prozess der Institutionalisierung soweit fortgeschritten, dass man sich (jedenfalls in der Öffentlichkeit) an sie halten muss, wenn man nicht sozial sanktioniert werden will. Die Folge: Selbst diejenigen Akteure, die die Sache eigentlich anders sehen, tun öffentlich so, als gingen sie mit der Institution konform, um ihre Legitimität nicht zu gefährden. Es wird deutlich, wohin die Reise der hier präsentierten Argumentation geht: Die Institutionen sind die EU und die sie tragenden Mythen, die so lange nachgeplappert werden, bis sie kaum noch hinterfragbar sind. Wer es trotzdem tut, wird zum Enfant terrible – wie die AfD.
Doch was sind dies genau für Mythen, die seit Jahren entgegen jeglichem Realismus in der etablierten Europapolitik grassieren?
Die EU als gesellschaftliches Psychopharmakon
Besonders in Deutschland hört man nicht selten die betont kosmopolitische (aber eigentlich eher verkrampft wirkende) Äußerung, man sehe sich ja eher als „Europäer“ – oder, um ein regelrecht pathetisches Postulat zu nennen, gar als „Weltbürger“ – denn als Deutscher. Der sozialpsychologische Hintergrund solcher Selbstbeschreibungen ist naheliegend: Der kollektive Schuldkomplex, unter dem die Deutschen mehrheitlich nach wie vor leiden, führt zu dem Bestreben nach einer kollektiven Ersatzidentität, der man sich wieder unbesorgt zuwenden kann, unbelastet durch die Vergangenheit. Im Zuge dieses (von der Psychologie als eine Art kollektiv-kognitive Dissonanz-Reduktion zu bezeichnenden) Aktes wird die EU zuweilen das Objekt eines supranationalen Pathos, der seinesgleichen sucht.
Man stelle sich einmal vor, ein Politiker würde so leidenschaftlich vom Nationalstaat Deutschland schwärmen wie es das Establishment regelmäßig im Falle der EU tut – er wäre binnen kürzester Zeit als „Nationalist“ verschrien. Aber auf der kontinentalen Ebene darf man das. Wer die EU feiert (und sei es in Form einer EU-Flagge als Facebook-Titelbild oder anderen gratismutigen, in wenigen Sekunden und ohne zu viel Anstrengung getätigten politischen Erklärungen), ist „progressiv“, „liberal“, „weltoffen“ und operiert in der sicheren Gewissheit, ein guter Mensch zu sein. Unnötig zu erwähnen, dass derlei mit rationalen politischen Erwägungen nichts zu tun hat. Es geht – einzig und allein – um Komplexe, um eine kollektive Neurose, auf massenpsychologischer Ebene. Die EU dient als gesellschaftliches Psychopharmakon.
Der Mythos von der größeren Wirtschaftskraft
Weniger Pathos, aber dafür genauso viel Unvernunft steckt in dem Argument der EU-Befürworter, ein europäischer Staat sei unumgänglich, um in einer globalisierten Welt mit Großmächten wie USA und China wirtschaftlich mithalten zu können. Man fragt sich instinktiv: Haben die Betreffenden die letzten zehn Jahre über keine Nachrichten gelesen? Wie sehr muss man die Augen verschlossen haben, um ausblenden zu können, dass die Währungsunion die wirtschaftlich starken Staaten der EU letztlich geschwächt hat, indem sie sie potenziellen oder realen wirtschaftlichen Kettenreaktionen ausgesetzt hat, die mit der D-Mark so nicht eingetreten wären?
Abseits davon gilt: Die Bundesrepublik Deutschland war trotz kleinen Territoriums und trotz kleiner Bevölkerungsgröße schon Jahrzehnte vor dem Euro eine der Wirtschaftsmächte an weltweit vorderster Stelle; der wirtschaftliche Wohlstand in zahlreichen anderen, bevölkerungs- wie flächenmäßig kleinen europäischen Staaten – etwa jenen Skandinaviens, in Österreich oder der Schweiz – besteht ebenfalls schon seit vielen Jahrzehnten. Daran würde sich bei der richtigen Wirtschaftspolitik auch nichts ändern – denn von eben einer solchen ist das „Standing“ in der globalisierten Weltwirtschaft abhängig, nicht von der Bevölkerungs- oder der territorialen Größe eines Staates.
Der Mythos von der friedenssichernden EU
Der Gipfel der Unvernunft ist jedoch erreicht, wenn EU-Befürworter in schamlosester Übersimplifizierung erzählen, man brauche die EU, weil „Europa“ nun mal seit Jahrzehnten den Frieden auf unserem Kontinent gesichert habe. Vertreter dieser Argumentation entlarven sich selbst entweder als manipulativ oder aber als uninformiert, indem sie dadurch die bei derlei historischen Herleitungen zwingend relevante Entwicklung von Europäischer Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) über Europäische Gemeinschaft (EG) hin zur EU komplett ausblenden.
Die EU, wie wir sie heute kennen, wurde vor allem mit dem Maastricht-Vertrag von 1992 auf den Weg gebracht und schließlich mit den Verträgen von Amsterdam und Lissabon in den Jahren 1997 und 2009 nochmals gravierend umstrukturiert. Mit beiden Stationen und vielen weiteren Schritten dazwischen und danach (s. o.) wurde die europäische Integration, d. h. also die salami-taktische Entwicklung hin zum Superstaat, immer weiter vorangetrieben. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnete die EU 1993 als Staatenverbund – eine Mischform, eine Art supranationale Zwischenstufe zwischen dem intergouvernementalen Staatenbund, bei dem die Mitgliedstaaten ihre nationale Souveränität voll und ganz behalten, und dem Bundesstaat, bei dem sie sie aufgeben.
Seit Maastricht hat sich die EU immer weiter vom Staatenverbund hin zum Bundesstaat entwickelt – eine Zielsetzung, die eigentlich gemeint ist, wenn im politischen Establishment von „politischer Union“, „mehr Europa“ etc. die Rede ist. Vor Maastricht jedoch glich die damalige EG, die aus der EWG hervorging, eher einem Staatenbund als einem Bundesstaat, auch wenn sie schon damals Elemente eines Staatenverbunds hatte.
Was in Wirklichkeit den Frieden bewahrte
Übersetzt heißt das, dass die Aussage, „Europa“ habe den Frieden bewahrt, eine Nullaussage ist, da sie noch nichts darüber verrät, welche staatsrechtliche Struktur damit nun gemeint ist. Stellt man die Frage, was denn nun genau in Europa über Jahrzehnte hinweg den Frieden gewahrt hat, dann gilt es vielmehr zu erkennen, dass die staatenbundähnliche EG hier weitaus mehr Verdienste aufweist als die zum Bundesstaat mutierende EU. Betrachten wir doch mal, was insbesondere die Währungsunion quer durch Europa angerichtet hat: Grassierende Deutschenfeindlichkeit, Proteste, Konflikte, Krisen, Anfeindungen, von den Völkern nicht akzeptierte supranationale Einmischungen und Bevormundung. Eine Krisenstimmung also, die man – den (durch andere, externe Faktoren verschuldeten und geprägten) Kalten Krieg ausgenommen – zu Zeiten der EG so nicht vorfand. Warum nicht?
Die Antwort ist eigentlich logisch: Zu Zeiten der EG akzeptierte man die nationale Vielfalt unseres Kontinents, wie es Charles de Gaulle im Sinn gehabt hatte, als er vom „Europa der Vaterländer“ sprach. Ohne arrogante Bürokratie-Moloche, die sich in die inneren Angelegenheiten der Mitgliedstaaten einmischten, ohne wedelnde Zeigefinger, ohne aufoktroyierte Sparmaßnahmen und Bankenrettungen, ohne währungsbedingte Kettenreaktionen. Das Europa der Vielfalt, das Europa der souveränen Nationalstaaten war das Europa, in dem man kooperierend, aber eben selbstbestimmt und gerade deswegen friedlich zusammenlebte. Der erste Unfriede trat nicht ein durch das Vorhandensein von Nationen und Völkern, sondern durch das Bestreben, anderen Nationen und Völkern zu sagen, wie sie zu leben haben. Imperialismus schafft Kriegsgefahr, nicht Nationalstaatlichkeit.
Dies zu erkennen, setzt einen Akt der politischen Differenzierung voraus, den die EU-Befürworter mehrheitlich nicht ansatzweise vorzunehmen imstande sind. Dies wäre noch zu entschuldigen, wenn sie sich wenigstens auf einen nüchternen Diskurs zu der Frage einließen. Dass sie jedoch die Befürworter eines „Europas der Vaterländer“ allen Ernstes auch noch als „Anti-Europäer“ deklarieren, ja zu „Populisten“, die „einfache Lösungen“ verträten, setzt der Sache die Krone auf. Eben jene, die in ihrer Argumentation völlig undifferenziert die oben genannten Aspekte vollkommen ausklammern, sollten eigentlich gerade mit derlei Vorwürfen sehr vorsichtig sein.
Der Superstaat als „rechte“ Vision?
Allerdings: Nicht nur im liberal-globalistischen Establishment gibt es Befürworter eines europäischen Superstaates. Auch im rechten Spektrum in Deutschland vertritt eine kleine Minderheit von Autoren wie Philip Stein, dem Gründer des Jungeuropa-Verlages, die Vision eines europäischen Superstaates, in dem die bisherigen Nationalstaaten Europas zu Teilstaaten degradiert werden. Dieser Staat solle zwar nicht die EU sein, aber dafür ein völlig neues supranationales, staatliches Gebilde. Stein bezieht sich in seiner Argumentation u. a. auf (nicht nur) rechte Denker der beiden vergangenen Jahrhunderte, die ihrerseits ein zusammenwachsendes Europa gefordert haben, und strebt einen republikanischen Bundesstaat Europa an.
Doch auch ein Bundesstaat Europa, der nicht aus der EU erwachsen wäre, ist aus konservativer Perspektive heraus rundweg abzulehnen. Denn abseits der Frage, wieso Stein dann eigentlich nicht gleich zum EU-Befürworter wird und nicht einfach in den Chor derjenigen, die lediglich eine gründliche Reform der EU fordern anstatt den Austritt aus dieser, miteinstimmt, muss hierbei unweigerlich der Konflikt dann eintreten, wenn es um die „soziale Frage“ geht.
Ein Staat, den Patrioten akzeptieren können, muss auch als Sozialstaat gestaltet sein, als Solidargemeinschaft. Doch glaubt Stein wirklich, dass er dafür bei den europäischen Völkern ernsthaft eine dauerhafte Mehrheit fände? Man werde sich bitte darüber klar, was dies ganz praktisch bedeuten würde: Solidargemeinschaft bedeutet Umverteilung; sie impliziert, dass die sozial Starken für die sozialen Schwachen finanziell und politisch einstehen. Faktisch würde das bedeuten, dass der deutsche Otto Normalverbraucher auch etwa dem Italiener und dem Griechen die soziale Sicherung bezahlt. Betrachtet man die Unterschiede in Sachen Wirtschaftsleistung in Europa, ist relativ klar, welche Seite hier für wen am meisten Federn lassen würde. Das Problem setzt sich fort im Zuge von Infrastruktur und vielen anderen Bereichen mehr. Wer derlei anstrebt – anstatt die Nationalstaaten Europas ihrer eigenen sozialen Verantwortung, aber dann eben auch ihrer politischen Selbstbestimmung zu überlassen, wie es in einem „Europa der Vaterländer“ der Fall wäre –, unterscheidet sich eigentlich in europapolitischer Hinsicht kaum von Grünen, Sozialdemokraten und Linkspartei, die ja genau das wollen.
Zuweilen bekommt man auch den Eindruck, dass Stein im Rahmen seiner autoritätsbasierten Argumentation, im Rahmen derer er sich auf die Europa-Ideen klassischer rechter Autoren beruft, diese ganz gerne einmal recht frei interpretiert. Wie auch immer man zu diesen im Einzelnen grundsätzlich stehen mag: Ein „Staatenverband“ (Pierre Drieu la Rochelle) ist noch kein Bundesstaat, erst recht nicht der „Katechon“, auf den Carl Schmitt sich berief. Und wenn Victor Hugo 1849 von einer „höheren Gemeinschaft“ und einer „großen europäischen Bruderschaft“ schrieb, so ist das immer noch nicht zwingend als ein die Nationen entmündigender Superstaat zu verstehen.
Man sollte doch stets den historischen Kontext von derlei Äußerungen bedenken: Die betreffenden Autoren schließlich kannten Europa nur als ständiges Schlachtfeld. Ein Staatenbund, in dem souveräne Nationalstaaten selbstbestimmt kooperieren, wäre für so manchen Denker früherer Zeiten schon gleichbedeutend gewesen mit der Utopie eines gemeinschaftlichen, zusammenhaltenden Europas, und als solche absolut ausreichend. Aber eben als Familie freier Staaten und Völker – und nicht als superstaatliches Vielvölker-Gefängnis.
Für einen neuen europäischen Staatenbund
Ähnliche Eindrücke bekommt man, wenn Stein von anderen rechten Parteien und sozialen Bewegungen Europas schreibt, die der von ihm propagierten Idee vermeintlich offener gegenüber stünden als die deutsche Rechte. Man mag das durchaus bezweifeln, denn eine Ablehnung eines Bundesstaates Europa bedeutet eben, wie bereits dargelegt, nicht eine Wiederbelebung des Schlachtfelds Europa, auf dem jeder gegen jeden kämpft und sich die einzelnen Nationen waffenstarrend-aggressiv gegenüberstehen.
Vielmehr bedeutet es eine politische Gemeinschaft im Sinne einer nicht-staatlichen, als loses Bündnis strukturierten „Einheit in Vielfalt“ – selbstbestimmt, souverän, friedlich, kooperativ. Würde man die patriotischen Kräfte Europas fragen, welche Vision sie präferieren, so sei an dieser Stelle vermutet, dass sie eher eben dieser zuneigen würden – eben weil man sich als pro-europäisch begreift! Hier sollte man die positiven Bezugnahmen auf die unzweifelhaft vorhandene gemeinsame europäische Identität nicht „etatistisch missverstehen“, sondern diese als Grundlage eines neuen Staatenbundes begreifen; eines Bundes, der die nationalen Identitäten in ihrer Staatlichkeit respektiert, aber ihnen einen übergreifenden politischen Rahmen gibt, und der Kooperation ermöglicht.
Dies, genau dies könnte und sollte eine Europa-Vision sein, die von Konservativen unseres ganzen Kontinents einmütig und harmonisch geteilt und vertreten werden kann. Eine Vision zudem, mit der eine Partei wie die AfD, in der dieses Modell eigentlich mehrheitsfähig sein sollte, ein weiteres programmatisches Alleinstellungsmerkmal hätte. Radikal? Ja, da sie einen EU-Austritt voraussetzt und nicht nur eine „EU-Reform“. Aber dennoch: Positiv und konstruktiv. Mit einem Blick nach vorn und nicht zurück – und doch bezugnehmend auf eine große europäische Geschichte und eine gemeinsame Kultur als Hort des abendländischen Menschen.