09.08.2020.

Wie eine Zeitung selbst Politik macht. Eine Anekdote aus dem Kommunalwahlkampf.

Eine Stellungnahme unseres OB Kandidaten Florian Sander.

Andrea Rolfes ist besorgt. „Düstere statt bunte Aussichten“ gäbe es mit Blick auf die Kommunalwahl in Bielefeld, schreibt sie in einem Kommentar am 8. August 2020. Rolfes ist Lokalchefredakteurin der Neuen Westfälischen (NW) – Bielefelds meistgelesener Tageszeitung. Was diese Tageszeitung, die sich lange Zeit selbst auf Seite 1 als „Überparteilich, Unabhängig“ bezeichnete, nicht so gerne dazu sagt: Sie befindet sich zu 100 % im Besitz eines Medienholdingunternehmens der SPD. Mitnichten ist sie also „überparteilich“, im Gegenteil: Kommunal- und, wie der überregionale Teil – nicht nur in den Kommentaren – regelmäßig wieder zeigt, auch landes- und bundespolitisch verfolgt sie eine klare politische Agenda. Regelmäßig werden SPD-Kandidaten in freundlichen Porträts bejubelt; zuletzt etwa Kevin Kühnert sowie ein junger Ratskandidat der SPD. Auf solchen kostenlosen Werbeservice werden andere Parteien (nicht nur die AfD) meistens lange warten können.

Schreckgespenst „Zersplitterung“

Rolfes warnt nun in ihrem Kommentar vor einer „Zersplitterung“ des Stadtrates infolge der Kommunalwahl im September 2020: Es gäbe so viele zur Wahl antretende Parteien und OB-Kandidaten (der Autor dieser Zeilen ist einer davon) wie noch nie, schreibt sie. Ihr Kommentar schlägt in diesem Punkt einen staatstragenden Ton an, in jenem Stil, wie man ihn auch von ähnlichen, links politisierenden Magazinen wie „Panorama“ etc. kennt. Der naivere Leser nimmt es ihr ab, die Sorge um das Gemeinwesen, um unsere Demokratie, die Handlungsfähigkeit unserer kommunalen Gremien. Der nicht ganz so naive Leser hingegen weiß: Sie bringt damit exakt jene Interessen zum Ausdruck, die die ehemaligen, zerfallenden Volksparteien in dieser Stadt und darüber hinaus verfolgen, nämlich die schöne, alte, heile Kungelwelt der Altparteien möglichst zu erhalten, nicht gestört zu werden durch diese unbequemen neuen Oppositionellen, diese böse AfD, die alte Gewissheiten hinterfragt und auf den Kopf stellt.

Kennt man den Hintergrund von Rolfes Arbeitgeber, so weiß man: So „staatstragend“, so „verantwortungsvoll“ ist dieser besorgte Kommentar, der in moralistischem Duktus „dunkle statt bunte Aussichten“ an die Wand malt und damit gezielt auf das Wahlverhalten der Leser Einfluss zu nehmen versucht, gar nicht. Er drückt viel mehr exakt die Sorgen und Interessen jener Partei aus, der die NW gehört und die in Bielefeld auch noch den Oberbürgermeister stellt – der SPD.

Eine Anekdote aus dem Wahlkampf

Doch Rolfes ist noch längst nicht fertig. Irgendwann in ihrem Kommentar schwindet der präsidiale, besorgt-staatstragende Tonfall – und weicht unverkennbarer Häme. Geradezu genüsslich greift sie einen vermeintlichen Schwachpunkt eben jener unbequemen AfD auf und gibt ihn, natürlich nicht in der gebotenen Präzision, sondern in Form von Halb- und Unwahrheiten wieder.

Im Vorfeld hatte die NW an die örtlichen Kandidaten der AfD zur Kommunalwahl Links zu Online-Fragebögen verschickt. In diesen wurden inhaltliche Schwerpunkte, aber auch persönliche Daten inklusive der Wohnadresse abgefragt. Das unglückliche dabei: Im besagten Fragebogen war es unmöglich, die Adressdaten zu überspringen – wer sie nicht angab, konnte ihn nicht weiter ausfüllen und folglich nicht einreichen. Der AfD-Kreisvorstand bat deswegen um eine rechtsverbindliche Information zum Umgang mit den Adressdaten, da man verständlicherweise Bedenken hatte, in Zeiten einer massiven linksextremen Bedrohung für AfD-Kandidaten Daten an eine Zeitung weiterzugeben, die einer Partei gehört, die nachweislich mit der linksextremen Antifa vernetzt ist.

Die NW antwortete, die Adressdaten wolle sie nicht veröffentlichen. Weitere Informationen zu Nutzung der Daten, etwa über deren Weitergabe an Dritte, gab sie nicht, was mehrere AfD-Kandidaten in ihrer skeptischen Haltung bestärkte. Auch hatte man noch zu gut vergangene, buchstäblich hetzerische Berichterstattungen in Erinnerung, im Zuge derer die NW etwa über eine bei der AfD aktive, dienstlich, privat und politisch völlig unbescholtene Bielefelder Grundschullehrerin einen scheinheiligen Artikel veröffentlichte, wonach deren politische Betätigung mit Blick auf ihren Beruf „Fragen aufwerfe“ – bewusst mit der Assoziation eines dienstlichen Fehlverhaltens spielend, welches die NW dann aber natürlich nicht ansatzweise nachweisen konnte. Mehrere (jedoch nicht alle) Kandidaten der AfD entschlossen sich vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen und Befürchtungen, den Fragebogen nicht auszufüllen.

Man ahnt, wohin die Reise geht: Ein gefundenes Fressen für die SPD-Zeitung. „AfD-Kandidaten haben Angst vor der Öffentlichkeit“, titelt Rolfes nun genüsslich. Und hier beginnt es, das große Spiel mit den bewussten Halb- und Unwahrheiten, in dem – typisch für die Lückenpresse – nur das gesagt wird, was einem selbst zugutekommt, alles andere aber weggelassen wird. Listen wir sie an dieser Stelle mal auf, die Halb- und Unwahrheiten.

Unwahrheit Nr. 1: „Angst vor der Öffentlichkeit“

Allein in der Wortwahl drückt sich beträchtliches, aber unbegründetes Selbstbewusstsein aus: Nicht vor „der Öffentlichkeit“ haben Kandidaten der AfD Befürchtungen. Würden sie in dem Fall für ein öffentliches Gremium kandidieren? Wohl kaum. Befürchtungen gibt es angesichts der Seriosität speziell der NW, und diese repräsentiert nicht „die Öffentlichkeit“, sondern letztlich nur den Teil davon, der quantitativ den Umfragewerten der SPD entspricht. Wirklich kritische Journalisten würden an diesem Punkt außerdem einmal innehalten und fragen: Woher kommt eigentlich dieses Klima der Angst? Könnte an den Befürchtungen vor linksextremen Übergriffen vielleicht etwas dran sein? Ist dies eigentlich ein Zeichen für eine gesunde Demokratie – oder läuft hier nicht etwas grundlegend verkehrt? Auf derlei selbstkritische Fragen wird man bei der roten Zeitung jedoch lange warten können.

Unwahrheit Nr. 2: „Will nichts über die eigenen Kandidaten verraten“

Die AfD wolle „am liebsten wenig bis gar nichts über die eigenen Kandidaten verraten“, schreibt Rolfes. Eine falschere Unterstellung kann man sich hier kaum vorstellen. Die Tatsache, dass sich die Kandidaten der AfD wohl deutlich motivierter an der Befragung beteiligt hätten, wäre zumindest nicht dieser unprofessionelle Umgang mit dem Thema Adressdaten vorausgegangen, wird ebenso komplett unterschlagen wie die Tatsache, dass mehrere Kandidaten der AfD durchaus trotzdem an der Befragung teilgenommen haben – jeder Kandidat hat eben eine individuelle Bewertung vorgenommen, da man derlei sensible Entscheidungen schwerlich als Vorstand von oben verordnen kann. Unterschlagen wird auch, dass der Autor dieser Zeilen noch wenige Tage zuvor sehr bereitwillig als OB-Kandidat an einem Videointerview, an Fotoaufnahmen und an einem Hintergrundgespräch mit der NW teilgenommen hat. „Nichts verraten wollen“ sieht anders aus. Oder?

Unwahrheit Nr. 3: „Bewerber wollen sich der Öffentlichkeit nicht vorstellen“

Nochmal haut Frau Rolfes in ihrem Text in die gleiche Kerbe: Sie frage sich, wie „Wähler sich für Kandidaten entscheiden sollen, die sich der Öffentlichkeit nicht vorstellen wollen“, fragt sie. Ob Frau Rolfes wirklich nie in Betracht gezogen hat, dass sie dies durchaus wollen – nur eben nicht gegenüber einer Zeitung, die nicht einmal gewillt ist, nähere Informationen zum Umgang mit so etwas sensiblem wie Adressdaten zu geben, und die öfters schon zuvor durch unseriöse Stimmungsmache auffiel?

Was die NW einfach verschweigt

Auch wurde Vertretern der NW im Vorfeld mehrfach dargelegt, dass eben aufgrund ihrer institutionellen Verquickung mit der SPD bei AfD-Vertretern zusätzliche Bedenken bestehen, denen man aber wenigstens durch eine andere, weniger datengierige und flexiblere Gestaltung des Fragebogens hätte beikommen können. Auf diese eigenen Defizite des Vorgehens ihrer Zeitung ging Frau Rolfes dann jedoch ebenso wenig ein wie auf den Punkt der politischen Vernetzungen ihrer Zeitung – klar, wäre ja auch zu unangenehm gewesen, derlei zu thematisieren. Daher tue ich es nun an dieser Stelle für sie.

Die politische Agenda der linken Presse

Alles in allem zeigt die Anekdote abermals in beeindruckender Weise, wie durch unselige politische Verstrickungen auf überregionaler wie auch auf lokaler Ebene die idealerweise freie Presselandschaft vollends ad absurdum geführt wird. Morgen werden Zeitungen wie die NW dann wieder – besorgt und präsidial, staatstragend und zeigefingerschwenkend – vor den Gefahren warnen, die angeblich von einer bösen rechten Partei ausgehen, aktuell bei der Kommunalwahl. Vor extremistischen Umtrieben werden sie warnen, vor „Ewiggestrigen“ und schlimmerem. Wir jedoch wissen, wie wir derlei Rhetorik zu bewerten haben: Als taktische Winkelzüge einer Presse, die selbst einen politischen Auftrag zu erfüllen hat – nämlich die Pfründe jener Parteien zu sichern, mit denen sie institutionell wie personell zutiefst verbunden ist.