27.11.2021.

„Städt. Bauprogramm 2022 ff unter besonderer Berücksichtigung städt. Schulbaumaßnahmen einschließlich Verfahrenserleichterungen zu Entbürokratisierung und Beschleunigung des Bauprogramms.“

Drucksache- Nr.: 2477 / 2020-2025.

Dieser Beschlussantrag liegt zur Zeit den verschiedenen Gremien zur Beschlussfassung vor. Aber was verbirgt sich hinter dieser bürokratisch nüchtern klingenden Vorlage der Verwaltung? Ein Erklärungsversuch:

In Bielefeld ist viel los! Jedem, der durch die Stadt geht, fallen die zahlreichen Baustellen ins Auge, und es ist kein Ende in Sicht. Im Gegenteil! Neben den straßenbaulichen Umbauprozessen plant die Stadt ein gewaltiges Bauprogramm, davon 2/3 Schulbauten, mit einem Investitionsvolumen von fast einer Milliarde €.

In Zahlen: 1.000.000.000,- €.

Auf einer Informations-Sondersitzung aller BZ-Vertretungen am 17.11.21 musste die Verwaltung einräumen, dass mit den ehrgeizigen Bauvorhaben, zu denen auch ein großes 10 zügiges inklusives „Bildungscampus“ gehört, die personellen Kapazitäten der städtebaulichen Umsetzung durch den ISB um ein Vielfaches überschritten wurden! Die geplante Investitionssumme von ca. 900 mio € muss in den nächsten 8 Jahren verbaut werden, um das selbst gesteckte Soll zu erfüllen. Dabei ist der Zeitrahmen eng und der Betrag in keiner Weise gedeckt. Durch die gerade erst entfallene Haushaltssicherung plant die Stadt Schulden und hofft auf Fördertöpfe.

Dabei schließt das Haushaltsjahr 2021 in Bielefeld nach Aussage des Stadtkämmerers bereits wieder mit einem Minus von 20 mio €. Eine erneute Haushaltssicherung ist ab dem Jahr 2025 wahrscheinlich. Damit würden weitergehende Investitionen unmöglich.

Auf die Frage, was mit den Bauprojekten passiert, wenn der geplante Investitionsrahmen angesichts der explodierenden Baukosten nicht reicht, gaben die auf der Sondersitzung anwesenden Vertreter der Stadtverwaltung keine Antwort.

Nun wurde den Bürgervertretern am 17.11.21 zur vermeintlichen Lösung des selbstgeschaffenen Problems die oben genannte Beschlussvorlage der Verwaltung in 1. Lesung vorgelegt, die auf der Ratssitzung am 09.12.21 beschlossen werden soll.

Überschrift:

„Städt. Bauprogramm 2022 ff unter besonderer Berücksichtigung städt. Schulbaumaßnahmen einschließlich Verfahrenserleichterungen zur Entbürokratisierung und Beschleunigung des Bauprogramms.“ Ds.-Nr.: 2477 / 2020-2025.

Unter den Ziffern 2.1 und 2.2 heißt es sinngemäß:

2.1

Die Allgemeinen Vergabegrundsätze vom 10.11.2011 werden zunächst befristet bis 31.12.2025 ausgesetzt. Über die Vergabe entscheidet grundsätzlich der OB mit der Möglichkeit der Delegation. Vorleistungen an Unternehmen dürfen nur ausnahmsweise und grundsätzlich mit unbefristeter Bankbürgschaft geleistet werden. 2025 soll abschließend über die Notwendigkeit kommunaler Vergaberechte entschieden werden.

2.2

Die Zuständigkeitsordnung für die Ausschüsse der Stadt Bielefeld sowie des BISB und BUWB vom 17.12.2009 wird befristet bis zum 31.12.2025 ausgesetzt.

Entscheidungsbefugnis:

Zuschlagserteilung für Vergaben von

  1. a) Bauleistungen über 125.000,- €,
  2. b) Architekten- und Ingenieurleistungen über 50.000,-€
  3. c) Gutachterleistungen über 25.000,- €

Auf eine Priorisierung der Bauvorhaben haben die Bürgerinnen und Bürger ebenfalls keinen Einfluss mehr, da die Bauliste gleich mit durchgewunken werden soll! Allein die Kosten für die Jahnplatz-Großbaustelle haben sich durch die Erweiterung von Bauaufträgen inzwischen verdoppelt. Für den bereits geplanten und beschlossenen Neubau der Martin-Niemöller-Gesamtschule liegt bis heute kein realistischer Kostenrahmen vor. Die Beschlussvorlage ist also keineswegs so trocken und harmlos, wie sie in ihrem Amtsdeutsch daherkommt! In Anbetracht der oben geschilderten Problemlage soll die Entbürokratisierung und Beschleunigung der gigantischen Bauvorhaben nach dem Willen der Stadtverwaltung über eine Entrechtung der demokratischen Gremien geschehen!

Das Aussetzen der Kommunalen Vergabeordnung bis 2025 ist ein Freifahrtschein für den Oberbürgermeister in Sachen Vergaberechte in einer nie gekannten Größenordnung und gefährdet die finanzielle Absicherung unserer Stadt. Ein Schuldendesaster darf es nicht geben, denn das Schließen von kommunalen Einrichtungen und damit der Stillstand des sozio-kulturellen Lebens in Bielefeld wären die unweigerliche Folge…

Keine Gestaltungsspielräume mehr für irgendetwas… Das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen dient jedoch dem Schutz der berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Eine alleinige Zeichnungsbefugnis für den Oberbürgermeister Pit Clausen, wobei die Bürgervertreter Vergaben der oben geschilderten Größenordnung nur noch zur Kenntnisnahme vorgelegt bekommen, nimmt den Bürgern der Stadt Bielefeld ihr demokratisches Kontrollinstrument!

Drucksache- Nr.: 2477 / 2020-2025 – Ein Bielefelder Skandal?