18.11.2021.
Zum Thema „Corona-Situation im Herbst 2021“.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, verehrte Kollegen, liebe Gäste!
Wir konnten heute in einer großen SPD-eigenen Tageszeitung folgende Aussagen von Leuten lesen, die es wissen müssen: „Wir sind froh, dass unsere Stationen derzeit nicht so voll sind“, so der Bereichsleiter Pflege der Intensivstationen im Klinikum Mitte. Der Klinikalltag sei inzwischen deutlich routinierter. Im Franziskus-Hospital habe es auch VOR der Impfkampagne keine nennenswerten Engpässe gegeben, so der Geschäftsführer der Katholischen Hospitalvereinigung. Seiner Meinung nach haben manche Krankenhäuser zu oft und zu früh die Kapitulation ausgerufen und zu stark mit Überlastungsszenarien operiert. Es habe in deutschen Krankenhäusern, und diese Aussage lassen Sie sich bitte jetzt alle auf die Zunge zergehen, insgesamt weniger Patienten gegeben als noch vor zwei Jahren.
Keine Verschwörungstheorie, keine Fake News, nichts, was demnächst von selbsternannten „Faktencheckern“ zerpflückt werden kann, sondern fundierte Meinung von jemandem, der näher an der Sache dran ist als wir alle. Es sollte uns, es sollte Sie sehr, sehr nachdenklich machen hinsichtlich der Frage, wie berechtigt der Alarmismus ist, den wir tagtäglich dann wieder an anderen Stellen sehen oder hören.
Doch noch einen anderen Effekt sollte es mit sich bringen. Nämlich die Einsicht, dass ein „Anziehen der Zügel“, wie es der Oberbürgermeister laut einem gestrigen Zeitungsbericht jetzt plant, nämlich in Richtung 2G für den Freizeitbereich, nicht nur nichts bringt, sondern sowohl illegitim als auch schädlich ist. Wann lernen Sie endlich, dass Sie über organisierte Diskriminierungen dieser Art keine „Anreize“ setzen, sondern die gesellschaftliche Spaltung zwischen Geimpften und Ungeimpften immer nur noch weiter vorantreiben?
Tagtäglich wird momentan durch mediale Lästereien über die „Unbelehrbaren“, über das öffentliche soziale Hinrichten von „Impfverweigerern“ in Person prominenter Sportler und über semantische Zweideutigkeiten wie „Pandemie der Ungeimpften“ gehetzt, was das Zeug hält – ohne dass jemand sich mal veranlasst sähe, DIESER Form der Hassrede Einhalt zu gebieten. Hier wird sowas von mit zweierlei Maß gemessen, dass die Betreffenden sich schämen sollten! Und hinterher wundern Sie sich dann, wenn das Menschen wütend macht und sie Ihnen nicht mehr zuhören.
Ich will aber nochmal einen anderen Aspekt einbringen: Mit 2G werden gerade auch jene diskriminiert, die sich in gesundheitsamtlichen Grauzonen befinden. Mir ist persönlich ein Fall bekannt von einer Frau, die ihre erste Spritze Biontech bekam, dann unter wochenlangen, extrem schmerzhaften Nebenwirkungen litt und sich folglich auf keinen Fall die Zweitimpfung geben lassen wollte. Da sie jedoch an einer Autoimmunerkrankung leidet und daher nicht einwandfrei nachgewiesen werden konnte, dass die unmittelbar nach der Injektion auftretenden Symptome mit hundertprozentiger Sicherheit aus der Impfung herrührten, wollte ihr bis heute kein Arzt das Schreiben ausstellen, dass sie nicht geimpft werden DARF. Man könne hier nur nicht guten Gewissens zu einer Zweitimpfung RATEN, hieß es ihr gegenüber immer wieder. Die Folge: Eine rechtliche Grauzone. Die Impfung ein beträchtliches Risiko, aber nicht genug, um den deutschen Amtsschimmel ein befreiendes Dokument ausstellen zu lassen. Einen Fall, den es in ähnlicher Weise hundertfach geben dürfte.
Für diese Frau und all die anderen, die dies so oder so ähnlich betrifft, ist 2G nichts anderes als waschechte Diskriminierung, Herr Oberbürgermeister, nichts anderes! Und wir alle wissen, dass die Betroffenen, gerade jene in gesundheitlich schwierigen Lagen, oft nicht die Energie und Kapazitäten haben, so etwas langwierig vor Gerichten auszufechten, wie wir als Parteien das vielleicht noch können. Allein deswegen an dieser Stelle nochmal der Appell: Lassen Sie die Finger von Diskriminierungen wie 2G, Herr Oberbürgermeister! Wenn Sie Einigkeit und Zusammenhalt in der Bielefelder Stadtgesellschaft wollen, dann gestehen Sie jedem seine individuelle Entscheidung für oder gegen Impfung zu. Das wäre fair, das wäre demokratisch und das wäre vorausschauend.
Vielen Dank.